Vornehmen und Gelehrten hat, die sie sich alle durch ihren Verstand
verbindlich zu machen wusste. Herz, der immer ein Narr auf Charaktere
war und in der wirklichen Welt sie aufzusuchen zuviel Ekel und Launen
hatte, dachte hier einen reichen Fund zu tun, und--da sie fuer alle
diese Korrespondenten zugleich immer Geschaefte machte--bei allen
diesen Personen ihre Art sich zu benehmen, die verschiedenen Massen
von Licht und Schatten, von Selbstliebe und Grossmut, oder auch wohl,
bei Leuten von geringeren Ton, von Geiz und Hochmut in ihrem
Charakter hier gleichsam aus der ersten Hand zu haben. Nun kommt
noch dazu, dass sie selbst eine ungemein grosse Gabe zu erzaehlen hat,
sie weiss alle Gegenstaende, die sie einmal sieht, gleich so zu fassen
und vorzutragen, dass man sie auch zu sehen glaubt, kurz, als Herz das
erstemal mit ihr in Gesellschaft war, wo sie denn gleich einige ihrer
Briefe hervorgezogen, und von ihr hoerte, dass sie ein Zimmer in ihrem
Hause um einen sehr wohlfeilen Preis zu vermieten habe, zog er
sogleich des folgenden Tages bei ihr ein, und nun war er fuer alle
unsere Gesellschaften verloren.
Er kam alle drei Tage nur in unser Haus und tat dabei so frostig, dass
wir ihn immer nur das Terzianfieber nannten. Zuletzt blieb er gar
weg und wer dabei am wenigsten verlor, das waren wir. Jetzo erst, da
ich von dem Herrn Rothe den wahren Zusammenhang seiner Verirrungen
erfahren, fange ich an, ihn zu bedauren.
Stellen Sie sich vor, sie kramte die Briefe der Graefin aus, die schon
seit ihrer Kindheit mit ihr in grosser Bekanntschaft steht und seit
dieser Zeit her in ** alle Geschaefte durch sie hat machen lassen.
Nun habe ich Ihnen die Graefin Stella schon beschrieben, noch muessen
Sie das wissen, sie schreibt wie ein Engel. Ich habe Briefe von ihr
gesehen, sie weiss den allergeringsten Sachen so etwas Anzuegliches zu
geben, dass man sogar ihre kleinsten Kommissionen mit eben dem
Interesse liest, als den wohlgeschriebensten Roman. Mein Herz war
hin, als er immer weiter in dieses Heiligtum trat, Brief fuer Brief
dieser Charakter sich immer herrlicher ihm entwickelte, denn es waren
hier Briefe von den ersten Jahren ihres Lebens an und sie hatte nie
geglaubt, gegen die Witwe Hohl im geringsten sich verstellen oder,
was heutzutage so allgemein ist, repraesentieren zu duerfen.
Nun beging die Witwe die grausame List, Herzen ganz und gar zu
verhehlen, dass die Graefin mit irgend einer Mannsperson auf der Welt
in Verbindungen des Herzens stehe. Alle die neueren Briefe, in denen
etwas von Plettenberg vorkam, versteckte sie ihm sorgfaeltig, Herz,
der von jeher, wie Sie wissen, vielleicht durch die Schicksale seiner
Jugend, die sonderbar genug sein sollen, aeusserst romantisch gestimmt
war, glaubte es vielleicht moeglich, dass er dies Herz wenigstens zur
Freundschaft gegen ihn durch Zeit, Geduld und Sorgfalt stimmen koennte.
Er fasste also den gigantischen Vorsatz, nicht abzulassen, bis er es
durch die Witwe Hohl so weit gebracht, dass die Graefin Stella
wenigstens seine Freundin wuerde. Auf der andern Seite fasste die
Witwe Hohl, die wohl einsah, dass Herz nur durch Reize der Seele
gefesselt werden koennte und sich fuer die gewoehnlichen schoenen und
artigen Gesichte der Stadt zu gut hielt, gleichfalls den festen
Vorsatz, nicht abzulassen, bis sie es durch die Briefe der Graefin
dahin gebracht, dass er sich ganz und gar an unsichtbare Vorzuege
gewoehnte und wenn er saehe, dass seine Leidenschaft fuer die Graefin eine
blosse Chimaere sei, _sie_ als ihre vertrauteste Freundin an ihre
Stelle setzte. Sie behielt also die Nachricht von ihrer geheimen
Verbindung mit Plettenberg als den Theaterstreich zurueck, der die
ganze Katastrophe entscheiden sollte. Ich fuerchte sehr, das Stueck