sonst in ihr Widerspiel verkehren; insonders moechte den Kindern, so--das
walte Gott!--euch bald umgeben werden, daraus eine toedliche Gefahr
erwachsen, und nur eine Suehne, aus des Uebeltaeters eigenem Blut
entsprossen, vermochte die Heilkraft des Spiegels wieder herzustellen.
Allein die Guete eures Hauses ist so gross, dass solches nicht geschehen
kann; und somit wollt in Hoffnung und Vertrauen diese Gabe aus der Hand
eines dankbaren Freundes empfangen."
Und wie der Meister es gewollt, in Hoffnung und Vertrauen empfingen die
Ehegatten sein Geschenk. Als die Kiste in den Flur getragen und geoeffnet
war, zeigte sich zuerst ein Gestell, kuenstlich in Bronze gearbeitet.
Dann hob man den Spiegel heraus; ein hohes schmales Glas von einem
wunderbar blaeulichen Lichtglanz. "Ist es nicht, mein Gemahl", rief die
Graefin, die einen Blick hineingeworfen, "als liege die drinnen
abgespiegelte Welt in sanftem Mondenschein?" Der Rahmen war von
geschliffenem Stahl, in dessen tausenden Facetten der gefangene und
gebrochene Lichtstrahl wie in farbigem Feuer blitzte.
Bald war das schoene Werk in dem Schlafgemach der Eheleute aufgestellt;
und an jedem Morgen, waehrend die Dienerin ihr das blonde Haar straehlte
oder die seidene Flechte in einen Knoten legte, sass die gute Graefin mit
gefalteten Haenden vor dem Spiegel des Cyprianus und schaute andaechtig
und voll Hoffnung in ihr eigenes liebes Antlitz. Wenn aber die
Fruehsonne auf die Facetten des Rahmens leuchtete, dann sass das Bild der
schoenen Frau wie in einem Kranz von Sternenfunken. Oft nach seinem
ersten Gang durch Feld und Wald trat ihr Gemahl wieder in das Schlafgemach
und lehnte schweigend hinter ihrem Stuhl; und wenn sie ihn dann im Spiegel
sah, so meinte sie jedes Mal, dass seine Augen weniger finster blickten.
Eine geraume Zeit war vergangen, als die Graefin eines Morgens, da die
Kammerzofe sie schon verlassen, im Voruebergehen noch einen Blick in
den Spiegel tun wollte. Aber es schien ein Hauch auf dem Glas, so dass
sie ihr Antlitz nicht deutlich zu sehen vermochte. Sie nahm ihr
Schweisstuechlein und suchte es fortzuwischen; aber es half nicht; und
sie sah nun wohl, dass es nicht ober-, sondem innerhalb des Glases war.
Naeherte sie sich dem Spiegel, so trat ihr Antlitz klar daraus hervor;
wenn sie aber weiter zuruecktrat, so schwamm es wie ein rosiger Duft
zwischen ihr und ihrem Spiegelbild.--Sinnend steckte sie ihr Tuechlein
ein und ging den Tag ueber schweigend und voll stiller Ahnung im Haus
umher, so dass ihr Gemahl, der ihr im Korridor begegnete, ausrief: "Was
laechelst du denn so selig, Herzensfrau?"--Sie schwieg noch immer und
legte nur die Arme um seinen Hals und kuesste ihn.
Tag fuer Tag aber, wenn ihr Gemahl und die Dienerin sie verlassen, stand
sie in der Einsamkeit vor dem Spiegel des guten Meisters, und mit jedem
Morgen sah sie das Rosenwoelkchen deutlicher hinter dem Glas schwimmen.
So war der Mai gekommen, und von draussen aus dem Gaertlein wehte der
Veilchenduft durchs offene Fenster; da trat die gute Graefin eines Morgens
wieder vor den Spiegel. Kaum hatte sie hineingeblickt, da brach ein
'Ach!' des Entzueckens aus ihren Lippen, und ihre Haende fuhren nach dem
Herzen; denn in der Fruehlingssonne, die hell in den Spiegel leuchtete,
erkannte sie deutlich ein schlummerndes Kinderantlitz, das aus dem
Rosenwoelkchen blickte. Mit verhaltenem Atem stand sie; sie konnte sich
an dem Anblick nicht ersaettigen.
Da hoerte sie von draussen vor der Bruecke Hoernerschall, und sie entsann
sich, es muesse ihr Gemahl sein, der von der Jagd zurueckkehrte. Sie
schloss die Augen und blieb wartend stehen, bis er, gefolgt von seinem