eine Reihe von Jahren vergehen, ehe sie nur begreift, was der Bund
ist, den sie eben geschlossen hat. Sie ist lebhaft, sie hat ein Gefuehl
von ihrer Seele Besitz nehmen lassen, welches ihr angenehm ist und
welches wahrscheinlich diese ihre ganze Seele erfuellt. Sollen wir sie
in diesem Gefuehle befangen sein lassen in der ganzen Zeit, in der sie
erst die wichtigsten Vorbereitungen zu ihrem kuenftigen Leben treffen
muss, oder soll sie ruhiger sein, um diese Vorbereitungen in dem
rechten Masse treffen zu koennen? Soll das Gefuehl nun fortdauern, immer
fort, bis wir sagen koennen, dass sie Braut sei? Wenn es fortdauert,
wird es nicht peinigende Stunden bringen, da es nicht so bald in
seinen natuerlichen Abschluss gelangen kann und Zweifel, Ungeduld,
Vorwaertstreiben, Unmut und Schmerz in seinem Gefolge fuehren? Wird es
da nicht jene schoenen, edlen, heitern, ruhigen Tage wegfressen, die
der aufbluehenden Jungfrau bestimmt sind, ehe sie den Brautkranz
in ihre Haare flicht? Sind nicht oft fruehzeitige, auf weite Ziele
gerichtete Neigungen die Zerstoererinnen des Lebensglueckes geworden?
Wenn ihr Mathilden liebt, wenn ihr sie mit wahrhafter Liebe eures
Herzens liebt, koennt ihr sie einer solchen Gefahr aussetzen
wollen? Graebt nicht tiefes Sehnen und heftiges Fuehlen, durch Jahre
fortgesetzt, alle Kraefte des Menschen an? Und wie, wenn die Neigung
des einen schwindet und das andere trostlos ist? Oder wenn sie in
beiden ermattet und eine Leere hinter sich laesst? Ihr werdet beide
sagen, das sei bei euch nicht moeglich. Ich weiss, dass ihr jetzt so
fuehlt, ich weiss, dass es bei euch vielleicht auch nicht moeglich
ist; allein ich habe oft gesehen, dass Neigungen aufhoerten und sich
aenderten, ja dass die staerksten Gefuehle, welche allen Gewalten
trotzten, dann, da sie keinen andern Widerstand mehr hatten als
die zaehe, immer dauernde, aufreibende Zeit, dieser stillen und
unscheinbaren Gewalt unterlegen sind. Soll Mathilde - ich will sagen
eure Mathilde - dieser Moeglichkeit anheimgegeben werden? Ist ihr das
Leben, in das sie jetzt mit frischer Seele hinein sieht, nicht zu
goennen? Es ist groessere Liebe, auf die eigene Seligkeit nicht achten,
ja die gegenwaertige Seligkeit des geliebten Gegenstandes auch nicht
achten, aber dafuer das ruhige, feste und dauernde Glueck desselben
begruenden. Das, glaube ich, ist eure und ist Mathildens Pflicht. Ihr
koennt nur nicht einwenden, dass dieses Glueck durch eine Verbindung,
die sogleich geschlossen wird, zu begruenden sei. Wenn auch Mathildens
Vermoegen so gross waere, dass daraus ein Familienbesitzstand gegruendet
werden koennte, wenn ihr es auch ueber euch vermoechtet, von dem
Vermoegen eurer Gattin wenigstens eine Zeit hindurch zu leben, was ich
bezweifle, so waere damit doch noch nichts gewonnen, da Mathilde, wie
ich sagte, die bei weitem groessere Zahl von Eigenschaften noch nicht
besitzt, welche eine Gattin und Mutter besitzen muss, da sie ferner
nach den Ansichten, die wir ueber das koerperliche Wohl unserer Kinder
fuer unsere Pflicht halten, wenigstens vor sechs oder sieben Jahren
sich nicht vermaehlen kann, und da also die Unsicherheit und Gefahr,
wie ich frueher sprach, auch bei dieser eurer Behauptung fuer sie und
euch vorhanden waeren. Da die Kinder in dem Alter Mathildens ihren
Eltern ohne Bedingung zu folgen haben, und da gute Kinder, wozu ich
Mathilden zaehle, auch wenn es ihrem Herzen Schmerz macht, gerne
folgen, weil sie der Liebe und der bessern Einsicht der Eltern
vertrauen; so haette ich nur sagen duerfen, mein Gatte und ich erkennen,
dass zum Wohle Mathildens das Band, das sie geschlungen hat, nicht
fortdauern duerfe und dass sie daher dasselbe abbrechen moege; allein
ich habe euch die Gruende unserer Ansicht entwickelt, weil ich euch
hochachte und weil ich auch gesehen habe, dass ihr mir zugetan seid,
wie ja auch euer Gestaendnis beweist, welches freilich etwas frueher
haette gemacht werden sollen. Erlaubt, dass ich nun auch von euch etwas
spreche. Ihr seid, wenn auch aelter als Mathilde, doch als Mann noch so